Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

von Edward Albee


Premiere am 24. Januar 2008, Kammerspiele Bad Godesberg, Theater Bonn

mit: Anke Zillich, Bernd Braun, Xenia Snagowski, Helge Tramsen
Bühne: Peter Scior, Kostüme: Sigrid Trebing






Bonner Generalanzeiger vom 26.01.2008:

Theater Bonn fragt "Wer hat Angst vor Virginia Woolf...?"

Inszenierung von Christoph Roos - Albees Ehekriegs-Drama hat nichts von seiner Brutalität eingebüßt - Schauspiel bleibt weiter auf Erfolgskurs
Von Dietmar Kanthak

Bonn. Kurz vor halb elf kam es in den Kammerspielen zu einer Liebeserklärung. Die kam unerwartet, denn vorher waren hier die Fetzen geflogen. Martha (Anke Zillich), die da mit Zuneigung von ihrem Mann George (Bernd Braun) sprach, war nach knapp drei Stunden ganz heiß und schwitzig vom Beziehungskampf - dem Kampf mit George.

Und dann das: ein todtrauriges und trotzdem aufbauendes Bekenntnis. Danach ging er weiter, der Ehekrieg. Die Ehe, in die der amerikanische Dramatiker Edward Albee seine Hauptfiguren in dem Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf . . . ?" einsperrt, ist die Hölle auf Erden. Und doch gibt es immer wieder kleine Momente der Annäherung, sie erscheinen wie zarte Tupfer auf einem Schlachten-Tableau.

Albee, der im März 80 wird, hetzte in seinem Stück aus dem Jahr 1962 einen erfolglosen, versoffenen College-Professor auf seine herrschsüchtige, versoffene Frau. Ihr Existenzproblem: Sie konnten keine Kinder haben und überleben nur mit der selbstgeschaffenen Illusion, sie hätten einen Sohn. Zu Besuch kommen Putzi und Nick (Xenia Snagowski und Helge Tramsen), deren Ehe ebenfalls auf einer Lebenslüge gründet.

Auch die jungen Leute trinken, lassen sich auf Beziehungs- und Machtspiele ein und lernen, was es heißt, mit Profis aufs Feld zu gehen. Peter Scior hat für Christoph Roos' Inszenierung eine dem Retro-Chic verpflichtete Umgebung geschaffen: mit Wohn- und also Trinkzimmer und Terrasse. Das Kammerspiel hat Auslauf. Roos und sein sensationelles Ensemble gehen von Anfang an volles Tempo.

Am Ende fühlten wir uns im Parkett wie durch die Mangel gedreht, so nahe kommt einem das Theater selten. Es ist ein gruseliges Vergnügen, Leuten dabei zuzusehen, die sich die Masken herunterreißen, in schwärenden Wunden bohren, die Seelenfolter zur Kunstform erheben. Der Alkohol wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger. Umso gruseliger, dass man darüber auch noch lachen kann, lachen muss. Das Lachen hinterlässt einen bitteren Geschmack.

Anke Zillich ist Martha, eine immer zum Angriff bereite Katze, deren kratzige Dominanz bisweilen einem lasziven Schnurren weicht; dann ist erst recht Gefahr in Verzug. Bernd Braun als George ist der Intellektuelle mit dem Kopf von Nosferatu: Er tötet mit dem Wort, der Loser lauert auf seine Chance, er schlägt zu, wenn es keiner mehr erwartet. So wird zum Beispiel die "Gästefalle" zum Theaterthriller.

Die Gäste sind mehr als nur Staffage. Helge Tramsens akademischer Aufsteiger laviert zwischen Opportunismus und Opposition. Tramsen, noch nicht lange in Bonn, ist ein Riesengewinn fürs Ensemble. Xenia Snagowskis Putzi ist ein Girlie mit großem hysterischen Potenzial. In dieser Frau steckt ein Springteufel. Ein Cognac zu viel, er fährt heraus, und Putzi tanzt. Großer Applaus, großer Abend.